Interview: Joggen auf dem Laufband
Es gibt Läufer, die ausschließlich auf dem Laufband joggen.
Welche Vorteile bietet ihnen das Laufbandtraining und warum joggen sie nicht draußen?
Ein Interview mit Bernhard G.
RUNNING LIFE:
Hallo Bernhard. Du bist jemand, der viel lieber auf einem Laufband läuft, als in der schönen freien Natur. Welche Vorteile bietet dir das Laufband?
Bernhard G.:
Tatsächlich laufe ich ausschließlich auf einem Laufband. Aus meiner Sicht hat ein Laufband folgende Vorteile:
- das Wichtigste für mich ist die Möglichkeit, die Geschwindigkeit auf dem Laufband präzise einzustellen. Als ich noch draußen gelaufen bin, passierte es häufig, dass ich zu schnell gelaufen war. Mir ging die Puste aus, ich blieb stehen und schnappte nach Luft. Danach hatte ich keine Lust mehr weiterzulaufen. Oder ich traf auf Bekannte und blieb stehen, um mich zu unterhalten. Danach hatte ich auch keine Lust mehr zum Weiterlaufen. Auf dem Laufband stelle ich die Geschwindigkeit fest ein, von der ich weiß, dass sie für mich richtig und machbar ist. Und dann laufe ich eine Zeit, die ich mir von vornherein vorgebe. So zwingt mich die Maschine weiter zu laufen, auch wenn ich zeitweilig die Lust verlieren sollte.
- die Gefahr einer Erkältung ist auf dem Laufband eigentlich nicht gegeben. Als ich noch draußen gelaufen bin, musste ich nach dem Lauf noch in verschwitzten Klamotten nach Hause kommen - bei kaltem Wetter nicht so gut. Jetzt steige ich von dem Laufband runter und gehe direkt unter die Dusche.
- ich habe leichtes Übergewicht. Die Federung auf dem Laufband schont meine Gelenke.
RUNNING LIFE:
Wie motivierst du dich zum Laufen?
Bernhard G.:
Um überhaupt laufen zu gehen, brauche ich gar keine Motivation. Ich mache es einfach, ähnlich wie man Zähne putzen geht - es gehört sich einfach so. Dazu brauche ich auch keine Mitläufer. Um allerdings nicht vom Laufband abzusteigen, bedarf es schon einer gewissen Motivation. Dafür habe ich ein paar einfache Psycho-Tricks.
Ich laufe jeden Tag mit fast identischer Geschwindigkeit. Wenn ich dann müde werde, sage ich mir:
"Gestern hast du es bei der gleichen Geschwindigkeit durchgezogen, vorgestern auch; es gibt also keinen Grund, heute schlapp zu machen. Dein Körper schafft es, auch wenn dein Geist nachgeben will."
Für mich ist ein Riesenvorteil des Laufbands die Möglichkeit, eine konstante Geschwindigkeit vorzugeben bzw. einzuhalten.
Ein anderer Trick ist: ich verbiete mir, den Ausschaltknopf zu drücken, bevor die vorgegebene Zeit um ist. So lange bleibt der Ausschaltknopf tabu! Das ist ebenfalls ein Riesenvorteil des Laufbands: das Band läuft einfach immer weiter und ich bin gezwungen, mitzulaufen. Hier lassen sich keine Verschnaufpausen einlegen, wenn ich mich an meine selbst auferlegte Regel halte.
Und wenn es hart auf hart kommt, wenn ich keine Kraft mehr zu haben glaube, dann denke ich daran, wie viele Menschen auf der Welt mit mir gerade tauschen möchten. Dann sehe ich die Lächerlichkeit des Luxusproblems, ein wenig erschöpft zu sein, und ich laufe noch ein paar weitere Kilometer.
RUNNING LIFE:
Du erwähntest, jeden Tag zu laufen?
Bernhard G.:
Das ist mein erklärtes Ziel.
Frei nach dem Motto: "du musst besessen werden und besessen bleiben!"
Natürlich ist es nicht jeden Tag möglich. Zum Beispiel bei Krankheit, bei berufsbedingten Reisen oder Urlaub.
Ich bin eine Art Sammler: andere sammeln Schlümpfe oder Luxusautos - ich sammle Kilometer und Läufe. Die Sammellust ist ja ungeheuer motivierend. Das wird jeder bestätigen, dem gerade noch der letzte Papaschlumpf fehlt oder dem der letzte Bugatti vor der Nase weggeschnappt wird. Erst die Vollständigkeit macht den Erfolg einer Sammlung aus.
RUNNING LIFE:
Wird es dir nicht langweilig auf dem Laufband?
Bernhard G.:
Langweilig? Ganz im Gegenteil! Ich bin jemand, der sich eigentlich unter keinen Umständen langweilt. Die Strecken- und Geschwindigkeitsanzeige auf dem Laufband sind mir schon Unterhaltung genug... Im Ernst: ich war schon immer an Literatur interessiert, hatte aber nie richtig Zeit, viel zu lesen. Auf dem Laufband kann ich beides verbinden: "L&L": Laufen und Literatur. Ich höre eine Buchlesung nach der anderen. So konnte ich zig Bücher genießen, die ich ohne das Laufband nie kennengelernt hätte. Ich benutze Kopfhörer mit eingebautem mp3-Player.
Anfangs habe ich beim Laufen Fernsehen geschaut, das hat sich jedoch nicht bewährt: erstens weil mir beim Schwitzen immer die Brille nass wurde und zweitens, weil durch das zielgerichtete Gucken auf den Bildschirm eine bestimmte Kopfhaltung erzwungen wird. Beim Laufen (nun ohne die Brille) schaue ich aus den Fenstern. In meinem Laufraum befinden sich Panoramafenster mit einem schönen Blick auf bewaldete Berge.
RUNNING LIFE:
Panoramafenster? Wo steht denn dein Laufband?
Bernhard G.:
Vor ein paar Jahren hat mein Arbeitgeber im neuen Bürogebäude einen Fitnessraum mit Laufband eingerichtet. Das war ein großes Glück für mich, denn so kann ich zu jeder Tages- und Abendzeit trainieren gehen. Ich teile mir meine Arbeitszeit frei ein - natürlich ist die Laufzeit meine Freizeit. Während meine Kollegen in der Mittagspause essen gehen, gehe ich laufen. Ein weiteres Glück für mich ist, dass sich außer mir fast niemand aus der Firma für das Laufband interessiert. So habe ich das Laufband nur für mich. In meiner Firma gibt es viele aktive Läufer, die aber ausschließlich draußen laufen.
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RUNNING LIFE:
Du hast mit dem Laufen also erst auf dem Laufband in deiner Firma angefangen?
Bernhard G.:
Nein, ich habe schon in den vielen Jahren davor versucht, draußen zu laufen. Das hat aber für mich nie lange gut funktioniert. Bei schlechtem Wetter oder nach einem Urlaub hatte ich keine Lust mehr, zu laufen. Erst mit dem neuen Laufband in der Firma änderte sich alles. Jetzt hatte ich keine Ausflüchte mehr. Anfangs war ich absolut unsportlich, und hatte dazu noch Übergewicht. Bei einer Größe von 175 cm wog ich über 86 kg. Ich erinnere mich: bei meinem ersten Lauf stellte ich eine Geschwindigkeit von 7,0 km/h ein und bin 10 min lang gelatscht. Am nächsten Tag stellte ich 7,1 km/h ein. Am übernächsten 7,2 km/h. Dann habe ich die Zeiten verlängert: 15 Minuten, 20 Minuten. Es war ein zäher Prozess, aber ich wurde von Tag zu Tag, von Woche zu Woche schneller, ausdauernder und... leichter! Diese Feinjustierung von Geschwindigkeit und Laufzeit ist eben nur auf einem Laufband möglich. Diese "Technisierung" des Laufens entspricht genau meinem Naturell. Dabei bin ich ein Naturmensch - an den Wochenenden unternehme ich gerne lange Wanderungen mit meiner Familie.
RUNNING LIFE:
Du bist also dank des Laufbands sportlicher geworden? Was hast du bereits erreicht und welche Ziele hast du noch?
Bernhard G.:
Das Laufband war ein Segen für mich. Es erlaubte mir, aus meiner jahrzehntelangen sportlichen Lethargie auszubrechen, fitter zu werden und mein Übergewicht zu reduzieren. Vom Laufen war ich schon immer fasziniert, allerdings rein "platonisch". Das Laufen ist nach meiner Auffassung die "Mutter" aller Sportarten. Momentan wiege ich etwa 75 kg; mein Ruhepuls liegt bei etwa 45 bis 52 Schlägen pro Minute; und ich bin imstande, bei einer Geschwindigkeit von etwa 12 km/h bis zu zwei Stunden lang zu laufen. Für mich persönlich ist das ein phänomenales Ergebnis. Mein weiteres Ziel ist jedoch, auf etwa 68 kg runter zu kommen - dieses Gewicht hatte ich als 18-jähriger.
RUNNING LIFE:
Die Gewichtsreduktion ist somit dein vorrangiges Ziel? Möchtest du nicht schneller werden?
Bernhard G.:
Das stimmt. Mein Gewicht zu reduzieren ist für mich vorrangig - mit 75 kg ist es immer noch zu hoch. Ich wiege mich jeden Tag am Morgen und trage das Gewicht im Lauftagebuch von RUNNING LIFE ein. Mit dem Gewichtsdiagramm kann ich die Entwicklung über Monate hinweg beobachten.
Ein zu hohes Gewicht ist aus vielerlei Gründen nachteilig. In meiner Familie trat Diabetes häufiger auf - dies führe ich auf das Übergewicht meiner Vorfahren zurück. Mit diesem Wissen wäre es sträflich, selbst ein Übergewicht zu kultivieren. Aber auch solche vermeintlichen Banalitäten wie das Schnarchen (kann zum Schlafapnoe-Syndrom führen) lassen sich mit Gewichtsabnahme bekämpfen. Neben den gesundheitlichen Aspekten spielt natürlich auch ein attraktiveres Aussehen eine Rolle.
Schneller zu werden ist für mich nicht so wichtig. Ich nehme an keinen Wettläufen teil und meine aktuelle Geschwindigkeit ist für meine Verhältnisse bereits beachtlich. Aber natürlich versuche ich, mich auch in dieser Hinsicht zu steigern. Dabei achte ich auf den Puls: sobald mein Puls bei einem Dauerlauf unter 160 sinkt, weiß ich, da ist noch Potential für eine höhere Geschwindigkeit drin und ich schippe weitere 0,1 km/h drauf...
RUNNING LIFE:
Du scheinst also immer mit konstanten Geschwindigkeiten zu laufen. Experten empfehlen hingegen, bezüglich des Tempos variabel zu trainieren und durchaus auch Tempointervalle ins Training einzubauen.
Bernhard G.:
Die Experten empfehlen zwar eine andere Art zu laufen, das macht mir aber nichts aus. Ich war noch nie autoritätshörig. Ich mache mir meine eigenen Regeln und fahre - äh, laufe - damit ganz gut... Die Hauptregel lautet einfach: "Laufe!" Ich versuche, jeden (Werk-)Tag zu laufen, egal ob ich Kopfschmerzen habe, ob ich müde bin oder ob ich zeitlich unter Druck stehe. In einem solchen Fall laufe ich eben nicht so lange wie gewöhnlich, aber ich laufe. Meine Hauptempfehlung wäre: "Hör nicht auf die Empfehlungen anderer, sondern laufe so, wie es dir Spaß macht!"
RUNNING LIFE:
Das ist ein schönes Schlusswort!
Vielen Dank für das Gespräch.
Bernhard G.:
Aber gerne!